Der genetische Anteil an der Erkrankung an Anorexia Nervosa liegt modernen Studien zufolge bei mindestens 40-60%, wahrscheinlich deutlich höher. (1) Das heißt, dass die Hauptursache der Erkrankung biologisch bedingt ist. Die restlichen Prozente verteilen sich auf die individuelle Persönlichkeitsstruktur sowie auf den Einfluss unseres Umfeldes.(2) Damit widerlegt die moderne Forschung die über Jahrzehnte getroffene Annahme, die Hauptursache für die Erkrankung sei in der Familie sowie im erweiterten sozialen Umfeld zu suchen. Die amerikanische Essstörungsexpertin Cynthia Bulik bringt es auf den Punkt:
„Genes load the gun – environment pulls the trigger.“ (3)
Eine Studie der Anorexia Nervosa Genetics Initiative (ANGI) unter der Leitung von Cynthia Bulik mit Genmaterial von über 13’000 irgendwann an Anorexie erkrankter Menschen hat ergeben, dass die genetische Grundlage der Magersucht Überschneidungen aufweist mit genetischen Merkmalen anderer psychischer Krankheiten wie Zwangsstörungen, Depression, Angstzuständen und Schizophrenie. Ebenfalls scheinen der Stoffwechsel sowie die körperliche Aktivität durch die genetische Veranlagung zur Anorexie beeinflusst zu werden.(1) Es gibt nicht ein spezielles Magersucht-Gen.
Die Disposition entsteht durch Fehlprogrammierungen einzelner Proteine, aus denen unsere Chromosomen bestehen.
Eine bestimmte Anzahl und Kombination solcher falsch programmierter Eiweiße scheint die Basis für die Krankheit zu legen. (3) Zudem scheint es Persönlichkeitsmerkmale zu geben, die für die Anorexie förderlich sind. Dazu gehören ein „hoher Perfektionismus und eine starke Gewissenhaftigkeit. die mit Durchhalte- und Organisationsvermögen, Genauigkeit, Gründlichkeit, Zielorientierung und Impulskontrolle einhergeht.“(4) Viele Anorexiepatient:innen verfügen über ein niedriges Selbstwertgefühl, neigen zu Angst und Unsicherheit, sind hochsensibel oder hochbegabt. Diese Persönlichkeitsmerkmale sind nicht die Ursache der Anorexie, sondern sie wirken lediglich unterstützend für die Ausprägung der Krankheit.(5)
Quellen:
(1) ANGI-Studie: https://uncexchanges.org/2019/07/15/anorexia-nervosa-genetics-initiative-angi-part-1-the-results/
(2) Vgl. Wade, TD; Bulik, C; Neale, M; Kendler, K.S. (2000). Anorexia nervosa and major depression; shared genetic and environmental risk factors. American Journal of Psychiatry, 157, 469-471
(3) Vgl. Arnold, C. (2013). Decoding Anorexia – How Breakthroughs in Science Offer Hope for Eating Disorders; Routledge.
(4) Essstörungen und Persönlichkeit: Unterschätzter Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen: https://www.aerzteblatt.de/archiv/76899/Essstoerungen-und-Persoenlichkeit-Unterschaetzter-Einfluss-von-Persoenlichkeitsmerkmalen
(5) Vgl. The Functional Role of Nutrition and Anorexia Nervosa: Food is Medicin: https://drsarahravin.com/wp-content/uploads/2019/11/TheFunctionalRoleofNutritioninAN.pdf